Heute ist es soweit. Der große Tag mit dem Höhepunkt der Steinbocktour steht an: der Heilbronner Höhenweg.
Schon viele Jahre haben wir den Erzählungen von BabyMufflons Opa gelauscht, der die Tour vor zig Jahren mit seinen Wanderkameraden gegangen ist. Den dabei entstandenen Film in Super 8 – liebevoll geschnitten, vertont und mit der passenden Musikuntermalung versehen haben wir unendliche Male gesehen. Und davon geträumt diese schöne Wanderung eines Tages selbst unter die Sohlen zu nehmen.
In der Nacht hat es Gewitter gegeben und nun ist es bewölkt, aber trocken. Und so brechen wir, nachdem wir unser Frühstück eingenommen haben, auf zu unserem Abenteuer. Das erste Stück verläuft ganz harmlos auf einem normalen Wanderweg. An der großen Steinscharte wird es dann ernst. Es geht in steilem und engen Zickzack über Schotter bergauf. Eine Gruppe Holländer, die uns vorausgeht, ist nicht besonders achtsam, was das Lostreten von Steinen angeht. Das kann ja noch heiter werden, im Verlauf des Tages. Vielleicht hätten wir unsere Helme mitnehmen sollen….
Am Ende des Geröllaufstiegs geht es weiter in leichter Kraxelei – stets gut abgesichert durch solide Drahtseile. Wer hier Probleme hat, sollte über einen Rückzug nachdenken, denn das Gelände wird für ein paar Stunden in dieser Art bleiben. Alle anderen können sich getrost an den Weiterweg wagen, denn schwieriger wird es nicht.
Bald erreichen wir den Abzweig zum Hohen Licht. Wer konditionsstark ist und sich sicher ist, danach noch die restlichen 5-6 Stunden über den Heilbronner Weg zu schaffen, kann an dieser Stelle einen Abstecher auf den Gipfel machen. Wir wollen es nicht übertreiben und biegen gleich nach links auf den Heilbronner Weg ab, wo wir nach wenigen Minuten das berühmte Heilbronner Törle passieren – ein schmales Felsloch, durch das man sich durchquetschen muss. Quasi eine natürliche Körpermaßkontrolle. Wer zu breit und zu dick ist, muss leider umkehren.
Das Gelände wechselt ab zwischen normalem Gehgelände und ganz leichter Kraxelei. Ein gut geübter Berggänger muss vermutlich nicht allzu oft die Hände zu Hilfe nehmen. Der Weg ist teils ausgesetzt, aber meistens so breit, dass man komfortabel schnellere Gruppen überholen bzw. Gegenverkehr passieren lassen kann. Ich stufe den Weg als für unsere Verhältnisse schwierig ein, weil er eben etwas anspruchsvoller ist als die Wanderungen, die wir sonst unternehmen. Für erfahrene Wanderer ist die Tour keine Herausforderung.
Bald erreichen wir das nächste Highlight des Tages. Die Leiter zum Steinschartenkopf. Dafür hat BabyMufflon extra mit der Klappleiter zu Hause geübt. Und das Training hat sich gelohnt. Ohne Probleme kann der Gipfel des Steinschartenkopfs erklommen werden. Gleich nach dem Steinschartenkopf folgt eine weitere Leiter – diesmal nicht senkrecht, sondern waagrecht zum drüberlaufen mit einseitigem Geländer für ängstliche Gemüter.
Als nächstes gilt es, den Bockkarkopf zu übersteigen – immer auf dem Grat entlang. Das Gelände ist hochalpin, wir bewegen uns in teils steilem Fels, aber alle heiklen Stellen sind perfekt gesichert. Auch am Grat des Bockkarkopfs gibt es stets ein Drahtseil, an dem man sich zur Nervenberuhigung festhalten oder wer möchte sogar mit einem Klettersteigset einhängen kann.
Vor und nach dem Bockkarkopf gibt es jeweils einen möglichen Abstieg zum Waltenberger Haus, in das man sich zurückziehen kann, falls man von schlechten Wetterverhältnissen überrascht wird. Das gilt allerdings nicht in der Sommersaison 2016 – da das Waltenberger Haus komplett neu gebaut wird, fällt diese Unterkunftsmöglichkeit momentan aus!
Nachdem der Bockkarkopf überwunden ist, wartet schon bald eine weitere Gipfeloption auf uns. Die Mädelegabel – sie ist genau das richtige für Freunde leichter Kletterei. Wir wollen nach wie vor mit unseren Kräften haushalten und lassen sie wie schon zu Beginn der Tour das Hohe Licht links liegen und sparen uns den Aufstieg. Statt dessen begeben wir uns auf den Schwarzmilzferner, für dessen Querung wir extra die ganze Zeit Grödel mitgeschleppt haben. Der Schwarzmilzferner ist der einzige noch verbliebene ‚Gletscher‘ im Allgäu. Glücklicherweise ohne Spalten und ganz flach, so dass man sich Steigeisen und Seil sparen kann. Es gibt eine breit ausgetrampelte Spur, der wir (dann doch ohne Grödel) folgen. Die Schneeauflage ist von der Sommerhitze bereits weggeschmolzen, so dass wir uns großteils auf Blankeis bewegen. Ein unachtsamer Wanderer aus der holländischen Gruppe rutscht aus der Spur und findet sich bald ein paar Meter tiefer. Zum Glück ist der Gletscher nicht steil und er kann schnell bremsen. PapaMufflon hilft ihm freundlicherweise wieder auf den rechten Weg zurück.
Nun haben wir also auch unsere erste Gletscherbegehung erfolgreich hinter uns gebracht. Als letztes gilt es noch, den Kratzer zu umrunden, bevor wir nach einem langen Tag die Kemptner Hütte erreichen. Und am Kratzer entdecken wir doch tatsächlich im Gras einen echten Steinbock, der gemütlich ein Nickerchen hält. Vier lange Wandertage mussten wir warten, bis sich der König der Berge uns leibhaftig gezeigt hat. Kann es eine schönere Belohnung für einen langen, anstrengenden Tag geben?